![]() „Fahrgastwunsch betätigen“, Aufforderung über einer Leipziger Tram-Tür, Foto: Wagner |
… von einem Newsletter-Leser: „in den öffentlichen Verkehrsmitteln der Stadt Jena gibt es einen sog. ‚Haltewunschtaster‘, was meines Erachtens einer Textoptimierung bedarf.“
IFTO kann Variationen aus Leipzig und Berlin hinzufügen (siehe Fotos).
Haltewunsch und Fahrgastwunsch treffen auf Druckknopf und Taster. Hier bemühen sich Verkehrsunternehmen, eine Botschaft zu übermitteln, aber es fällt ihnen merklich schwer. Warum? Das Thema taugt für eine längere Abhandlung – wir nähern uns nur der sprachlichen Seite und diskutieren keine Haltewunschanlagen, Bedarfshalte und Türöffner-Systeme.
Bei „Taster“ stoßen wir auf Problem Nummer 1: Der Taster ist Fachsprache; in der Alltagssprache ist die Taste etabliert. Ein „Taster“ wäre alltagssprachlich eher eine Person, jemand, der etwas (er)tastet. Aber was macht ein Wunsch-Taster in einer Tram? Wünsche ertasten? Im Kontext öffentlicher Verkehrsmittel ist klar, dass das nicht gemeint ist. Wer googelt (Duden), findet für „Taster“ zwei Bedeutungen:
1. Bedeutung: tastenartiger Druckknopf, Drucktaste o. Ä.
2. Bedeutung: jemand, der mittels einer Tastatur eine Maschine bedient
Hätten die Jenenser ÖPNV-Verantwortlichen gleich das alltagssprachliche Wort „Taste“ gewählt, gäbe es eine Verstehenshürde weniger. Aber mit der Taste ist es noch nicht getan.
Mit „Haltewunsch“ (Jena, Berlin) oder gar „Fahrgastwunsch“ (Leipzig) sind wir bei Problem Nummer 2. Das Verb „wünschen“ braucht eigentlich 2 Mitspieler: Wer wünscht sich was? Vor ein Substantiv („Wunsch“) kann man aber nur 1 Mitspieler setzen – das Ergebnis sehen wir: Halte-Wunsch (was) oder Fahrgast-Wunsch (wer). Irgendetwas bleibt immer ungesagt. Denkbar wäre noch die „Extended Version“: Fahrgasthaltewunschtaste – viel zu lang.
Unser Alltagswissen sagt uns, dass die ausführliche Botschaft ungefähr lautet: „Wenn Sie wollen, dass der Bus / die Tram an der nächsten Haltestelle anhält und dann die Tür aufgeht, dann drücken Sie den Druckknopf / den Taster.“
Diese komplexe Aussage in ein Wort – auch wenn es mehrteilig ist – pressen zu wollen, kann nicht gelingen. Zu der Erkenntnis sind andere Verkehrsunternehmen offenbar auch gekommen. In vielen Bussen steht deshalb direkt auf oder neben den Druckknöpfen einfach „STOP“ (= der konkretisierte Haltewunsch). Und an den Knöpfen direkt an den Türen steht: „Tür auf“ (= ein anderer Fahrgast-Wunsch). Wenn dann noch an gut sichtbarer Stelle, z. B. im Display unter „nächste Haltestelle: XYZ“ ein „Bus/Bahn soll halten? STOP-Taste drücken!“ steht, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.
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Sind Ihnen im Alltag auch schon solche Situationen begegnet oder haben Sie schon einmal missverständliche Textbeispiele gefunden? Dann schicken Sie uns einfach eine E‑Mail an: newsletter@ifto.de. Gerne können Sie uns auch Bilder schicken.