![]() Dozentin Susanne Scharff und Geschäftsführer Ulrich Peinhardt auf dem Campus der Martin-Luther-Universität. Das Institut für Textoptimierung ist aus der halleschen Universität hervorgegangen. |
Wenn man Prüfungsaufgaben nicht versteht, die Prüfung verhaut und dadurch keinen Berufsabschluss erhält, ist das nicht nur für den Auszubildenden ärgerlich. Auch dem Betrieb schadet es – denn er hat eine Menge in den Azubi „investiert“ und die neue Fachkraft oft schon eingeplant. Für mehr Erfolge bei Prüfungen sorgt seit 2011 das aus der Martin-Luther-Universität ausgegründete Institut für Textoptimierung (IFTO) aus Halle (Saale). Mit seinem Angebot hat es sich ein deutschlandweit einmaliges Standbein geschaffen.
Idee durch Uniprojekt
Das Kerngeschäft besteht darin, schriftliche Prüfungsaufgaben in einfache Sprache, die jeder versteht, umzuformulieren. Die Idee entstand durch langjährige Modellprojekte der „Forschungsstelle zur Rehabilitation von Menschen mit kommunikativer Behinderung“ an den Universitäten Heidelberg und Halle. „Viele scheiterten an der Komplexität der schriftlichen Prüfungen“, sagt der Informatiker und Geschäftsführer Ulrich Peinhardt, der von 2007 bis 2011 an dem Uni-Projekt mitarbeitete. Als das vom Bund nicht verlängert wurde, machte er sich gemeinsam mit Dr. Susanne Wagner selbstständig und gründete die IFTO GmbH. „Es war uns wichtig, das Projekt in der eigenen Firma weiterzuführen“, sagt Peinhardt. Man wollte die Kooperationspartner nicht im Regen stehen lassen. Etliche hatten erkannt, wie wichtig das Textverständnis bei Prüfungen für ein erfolgreiches Abschneiden ist.
Bedarf wächst
Zu den ersten Partnern gehörte das Berufskolleg für Hörgeschädigte in Essen. Menschen mit Behinderung haben per Gesetz einen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Doch die Schulen gehen unterschiedlich damit um. „Manche geben den Prüflingen mehr Zeit. Aber das bringt nichts, wenn man die Aufgabe nicht versteht“, sagt Susanne Scharff. Die Germanistin und Pädagogin ist Dozentin für Textoptimierung und seit 2012 für das hallesche Institut deutschlandweit unterwegs. Der Bedarf an gut verständlichen Texten wächst, auch durch die Zunahme an Flüchtlingen. Diese sollen ebenso gleichberechtigt am Leben teilhaben. Und da ist das Nichtverstehen die größte Hürde.
Mehr Partner
Deshalb gewinnt das IFTO immer neue Partner. Viele Lehrer melden sich für Vorträge, Workshops und Schulungen an. Und Susanne Scharff lehrt sie, wie man komplizierte Sätze klarer und präziser formuliert, ohne dass sich der Inhalt verändert. Das ist das Prinzip der „einfachen Sprache“, wie sie zunehmend für Prüfungen in Berufsschulen, Hochschulen und Kammern angewendet wird.
Erfolgsquoten gesteigert
Da sich die Erfolgsquoten durch textoptimiertes Prüfen sehr gesteigert haben, zieht ein Auftrag den nächsten nach sich, das laufe inzwischen wie von selbst. Die IHK München etwa lässt Prüfer schulen, und der Dachverband „Prüfungsaufgaben- und Lehrmittelentwicklungsstelle der IHK“ hat Susanne Scharff für Dezember nach Stuttgart eingeladen, um dort eine zweitägige Schulung für Prüferinnen und Prüfer zum Thema Textoptimierung durchzuführen.
Gerechtigkeit herstellen
Susanne Scharff merkt man die Begeisterung für das Projekt an, „weil es Gerechtigkeit herstellt“, sagt sie. Und: „Wir können Biografien mitschreiben“. Ulrich Peinhardt ergänzt: „Wir schaffen mehr Fachkräfte für den Markt, die uns sonst verloren gehen würden.“
Neue Aufgabenfelder
Längst haben auch andere Auftraggeber die Vorteile der Textoptimierung erkannt, und außerhalb von Prüfungszeiten schreiben die inzwischen sechs Mitarbeiter des halleschen Instituts Texte für Formulare, Fragebögen, Broschüren, Websites oder Flyer sowie Amts- und Lehrtexte in einfacher Sprache. Aus ihnen ist der Ballast entfernt, sie kommen ohne Verneinung, Substantivierung und Passiv aus. Nicht zu verwechseln ist einfache Sprache aber mit „leichter Sprache“, zu der etwa Ministerien, Landtage oder Behörden auf ihren Internetseiten aufgefordert sind. Ein Beispiel ist das Verhalten in der Wahlkabine. Das muss in leichter Sprache formuliert sein, damit es auch Menschen mit Lernschwierigkeiten verstehen.
Autorin und Fotografin: Marlene Köhler